Carl Einstein in Spanien 1936-1939

1936

Ende Juli oder Anfang August: Einstein reist nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs als Journalist mit einer Gruppe antifaschistischer französischer Intellektueller nach Barcelona. Lernt dort Helmut Rüdiger kennen, damaliger Sekretär der ständigen Vertretung der syndikalistischen Internationale (IAA) in Barcelona und Herausgeber des Deutschen Informationsdienstes der CNT-FAI. Daraufhin politischer Anschluss an die anarchosyndikalistische CNT-FAI (Confederación Nacional del Trabajo; Federación Anarquista Ibérica). Wohnt anfangs bei Helmut und Dora Rüdiger. Seine Frau kommt nach. Bekanntschaft mit Durruti. Einstein wird Mitglied der CNT und Milizionär der Grupo Internacional der Kolonne Durruti. Diese befindet sich seit 23.7. im Einsatz an der Aragon-Front. Einsteins Frau Lyda wird ebenfalls CNT-Mitglied, arbeitet in der Gegend von Bonanova (Katalonien) und nahe Barcelona als Krankenschwester. Einstein wird zum "técnico de guerra" (militärisch-technischer Leiter) innerhalb der Kolonne Durruti gewählt. Ist für spezifischen Frontabschnitt bei Osera als Chef des Befestigungswesens verantwortlich (Kröger, CEK 1986, S. 264ff.). Öffentliches Plädoyer Einsteins gegen die Umwandlung der Milizen in eine hierarchisch gegliederte klassische Armee.

November: Nach dem Tod Buenaventura Durrutis am 21. November hält Carl Einstein Nachruf über Radiosender der CNT-FAI. Veröffentlicht unter dem Titel "Die Kolonne Durruti" in: Buenaventura Durruti. Hrsg. von Helmut Rüdiger im Deutschen Informationsdienst der CNT-FAI, Barcelona 1936, S. 13-17. In verkürzter Fassung auch in: Neue Weltbühne, Jg. 32 (1936), Nr. 50 (10. Dezember). Dezember: Mit der Kolonne Durruti längere Zeit in Pina de Ebro. Zuvor Eroberung von Bujaraloz und Siétamo. Carl Einstein ist im Hauptquartier der Kolonne tätig, wohnt in Pina de Ebro. Danach Kämpfe der Grupo Internacional in Osera, Barbastro, Gelsa. Lyda Einstein wohnt unterdessen wieder bei Helmut und Dora Rüdiger.

Enge Freundschaft der beiden Einsteins zu Rudolf ("Michel") Michaelis, dem politischen Kommissar der Grupo Internacional, ebenso zu Rudolf Berner, schwedischer Journalist. Lektüre im Frühjahr: Céline (Rezension von Tod auf Kredit am 29.5. in Prager Presse.)

1937

Januar: Wiederabdruck von Die Kolonne Durruti in: Die Soziale Revolution, Nr. 3, S. 3f. 10. Januar: Kolonne Durruti umgewandelt in División Durruti. Einstein war nun als Mitglied der Grupo Internacional Teil der 1. Kompanie ("Internacional") des 4. Bataillons des 3. Infanterie-Regiments der División Durruti mit Sitz in Pina de Ebro. Die Grupo Internacional zählt im Januar 104 Mitglieder, darunter 46 Deutsche (stärkster nationaler Anteil).

Februar/März: Veröffentlichung(en) in Cultura y porvenir (Wochenblatt der anarchosyndikalistischen "Juventudes Libertarias" aus Seu de Urgel). (Brief Helmut Rüdigers, in:Kröger, CEK 1986, S. 265). 9. März: Carl Einstein erhält Kurzurlaub für "propagandistische Zwecke". 25. März: Lyda Einstein erhält Ausweis als Miliciana der División Durruti, 1. Kompanie ("Internacional") in Pina de Ebro.

April: Konflikte in Grupo Internacional um den militärischen Kommandanten der División, José Manzana. Carl Einstein wird das militärische Kommando über die División Durruti am gesamten Frontverlauf angeboten, lehnt ab. Einstein legt Denkschrift über die gesamte Front vor, die von allen positiv ("kritisch und sachlich") beurteilt wird (Brief von Helmut Rüdiger an Rudolf Michel Michaelis vom 2.4.1937, IISG). Hinweise auf immer stärkere Desillusionierung Einstein über die CNT-FAI-Politik. 2. April: Vortrag Einsteins auf Französisch über die Front von Aragon.

Verluste und Rückzug der Grupo Internacional aus den "Montes de Vacas" vor Villafranca. 12. April: Grupo Internacional begibt sich nach Tardienta. Schwere Kämpfe der Grupo Internacional in Tardienta. Erholungsurlaubstage in Barcelona. Einstein verkehrt im Lokal Calle Mediodía Nr. 16 und im Milizrestaurant "Münchner Stübl" am Plaça de Universidad.

Anfang Mai: Neue Umwandlung der Division Durruti in 26. Division des "Ejército del Este" (östliche Volksarmee) mit insgesamt drei Brigaden (119., 120. und 121. gemischte Brigade). Einsatzort: Játiva (Valencia).

1. Mai: Veröffentlichung von Einsteins Vortrag Die Front von Aragon in: Die Soziale Revolution Nr. 12 (Sondernummer) als Stellungnahme gegen die Abschaffung des Milizenprinzips und Einführung einer klassischen Armee.

Blutige Maitage in Barcelona. Kämpfe zwischen Kommunisten und Anarchisten. Dabei kommt Einsteins Freund Alfredo Martínez, Sekretär der Juventudes Libertarias Kataloniens, ums Leben. Fast alle DAS-Leute (Deutsche Anarcho-Syndikalisten) aus der Grupo Internacional werden nach den Maitagen von Kommunisten verhaftet und z.T. monatelang inhaftiert. Die Grupo Internacional hört dadurch auf zu existieren.

Einsteins interne Kritik an der CNT-Politik löst unter deutschen Anarchosyndikalisten in Barcelona Irritationen aus; Einsteins Verhalten ist Thema in verschiedenen Korrespondenzen (Kröger, CEK 1986, S. 268).

Anfang Juli: Begegnung mit Nico Rost in Barcelona, der zum Internationalen Schriftstellerkongress in Valencia und Madrid angereist war (Penkert). Keine Teilnahme Carl Einsteins daran nachweisbar. 14. August: Erhält vom IAA-Sekretariat Vorschusshonorar von 487,50 Ptas. für Broschüre über spanischen Anarchosyndikalismus und den Krieg. Abgabefrist: 3 Wochen später. (Kröger 1992, S. 81). Emma Goldman kennen gelernt.

1938

Ernsthafte Differenzen mit Helmut Rüdiger, dem Nationalkomitee der CNT (Generalsekretär: Mariano Vazquez) und einigen Mitgliedern der deutschen anarchosyndikalistischen Sektion in Barcelona. Gründe: Einerseits wird ihm seine Kritik an CNT-FAI-Politik übelgenommen. Andererseits hat Einstein Abgabetermin für Broschüre nicht eingehalten. Die IAA wartet dringend auf die Broschüre. Der Verzug ist Thema zahlreicher Korrespondenzen. Einstein wird von etlichen CNT-Delegierten und deutschen anarchosyndikalistischen Freiwilligen seitdem als notorischer Schwindler und Betrüger betrachtet und zwecks Rückzahlung des Vorschusshonorars gesucht. Helmut Rüdiger nennt als Einsteins Adresse die seiner Frau, Hospital Salmeron. Hat selbst keinen Kontakt mehr zu Einstein (Kröger 1992, S. 82 und 89). Auch Freundschaft mit Rudolf Michaelis zerbricht daran. Freundschaft zu Rudolf Berner bleibt bestehen.

6. Mai: Interview von Sebastià Gasch (katalanischer Kunstkritiker) mit Carl Einstein in Zeitschrift Meridià (Setmanari de literatura, art i política. Tribuna del Front intellectual Antifeixista, Barcelona) unter der Überschrift: "Einige sensationelle Erklärungen von Carl Einstein", mit Foto. (BA 3) Darin erwähnte Kontaktperson Einsteins: Joan Prats, Galerist in Barcelona. Carl Einstein benennt als geplante Projekte eine "Soziologie der Kunst oder Fiktion und Realität" und eine "Geschichte der Leerstellen in der Kunstgeschichte" (als Essay für "Nouvelle Revue Française"). Kuriert in Barcelona Verwundung aus. Das Foto zeigt Einstein in regulärer Uniform der spanischen Volksarmee. 24. Mai: Interview mit Carl Einstein in La Vanguardia, Überschrift:"Carl Einstein erläutert den Mehrfrontenkrieg und die Kriegspläne des Nazifaschismus". Erwähnt wegen des Spanienkriegs aufgegebene Pariser Arbeitspläne an "Soziologie der Kunst", "Geschichte der Lücken in der Kunstgeschichte" und Essay über "Das Problem des sozialen Konformismus" sowie realisierte Veröffentlichungen über "Geschichte des Bürgerkriegs in Russland" und "Struktur der faschistischen Militärpläne" in Spanien. Der Verlag Editorial Labor in Barcelona plante spanische Edition der "Kunst des 20. Jahrhunderts", Einstein steht in Kontakt zu dem Verlag. In Verletzungspausen Arbeit Einsteins an einem Filmdrehbuch ("La paz que mata" = Der tötende Frieden). Verfolgt das Ziel eines "Collective de Recherche Professionelle" im Sinne einer undogmatischen, überparteilichen, interdisziplinären intellektuellen Offensive. Unterstützt politisch das 13-Punkte-Programm Juan Negríns.

30. Juni: In Brief von Egon Illfeld an Helmut Rüdiger wird die Weiterleitung des "Falls Einstein" (Rückerstattung der Honorarvorschusses wegen nichtgelieferter Broschüre) an die Abteilung Sozialpolitische Propaganda der CNT mitgeteilt. Einsteins Adresse nun bekannt. Ab Sommer: Briefe Carl Einsteins an Daniel-Henry Kahnweiler aus Barcelona (Calle Verdi 182). Verletzungspause und Magenkrankheit. Wiederholte Erwähnung seiner Filmarbeit. Erwähnt Beteiligung an den Kämpfen an der Aragon-Front, in Guadalajara, Madrid, Belchite und der Schlacht am Ebro. Erhält Nahrungsmittelpakete von Kahnweiler und Reber. Erbittet und erhält Pakete von Picasso, Braque, Paul Rosenberg, Josette Gris etc. Dezember: Einstein in Valencia.

Kontakte zu Hubertus Prinz zu Löwenstein, zu Jaume Miravitlles, Parteimitglied der "Esquerra Republicana" und Regierungsmitglied der katalanischen Generalitat (Brief an American Guild for German Cultural Freedom) sowie zu Jean Paulhan ("Nouvelle Revue Française"). Lektüre (real oder erwünscht): Hölderlin, Spinoza ("Ethik"), Hardy, Valéry, Novalis, Louis Duc de Broglie, Tschuang-tse, Heraklit, Mallarmé, Laotse. Positive Bezugnahme auf militär- und kriegserprobte Autoren Cervantes, Defoe und Descartes.

1939

6. Januar: Brief an Pablo Picasso aus Barcelona. Einstein, schwerkrank, ersucht bei dem Barceloneser Arzt Dr. Trias Pujol vergeblich um Operationstermin. Flieht nach Niederlage der Republik mit dem geschlagenen spanischen republikanischen Heer über die Grenze nach Frankreich. Internierung als Spanienkämpfer in Argelès. Dann Freilassung.

Mitte Februar im Auftrag von Helmut Klose und weiteren inhaftierten Spanienkämpfern nach Paris entsandt. (Brief von Rudolf Michaelis an Helmut Klose, Paris, 25.5.1939) Ankunft in Paris am 15. Februar. Kommt erst bei seiner Tochter unter, dann beim Ehepaar Leiris, wohnt später mit Lyda in bescheidenen Hotels. Regelmäßige Begegnungen mit Daniel-Henry Kahnweiler. (Erinnerungsbericht von Daniel-Henry Kahnweiler, in: Pfemfert, S. 164f.)

16. Februar: In Match erscheint Foto von Carl Einstein in Militäruniform auf der Terrasse eines Cafés in Perpignan, zusammen mit Reportage über die Kriegsflüchtlinge aus Spanien. Carl Einstein berichtet bei zufälligem Zusammentreffen mit Ex-Spanienkämpfer Willi Marckwald in Paris von seinem Interview mit einem Journalisten in einem Hotel in Perpignan.

Sein Pass ist ungültig. Daran scheitern Versuche von Hein und Ada Heckroth aus dem Exil in Großbritannien, ihn dort hinzuholen.

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